Die kleine Geschichte vom Selbstwert I Bozos on the Bus
Die kleine Geschichte vom Selbstwert wirft die Frage auf, ob wir, im Gegensatz zu dem selbstsicheren Bild, das wir alle Tag für Tag versuchen aufrechtzuerhalten, in Wirklichkeit alle unvollkommene, mit Fehlern behaftete Wesen sind, die ohne jegliche Anleitung in eine verwirrend komplexen Welt hineingeboren wurden. Keiner von uns ist ein Modell an perfektem Verhalten: Wir sind alle schon betrogen worden und haben betrogen; wir sind alle mal egoistisch, unzuverlässig, faul und geizig gewesen. Und jeder von uns ist schon mal mitten in der Nacht aufgewacht und hat sich Sorgen gemacht über alles Denkbare: dass wir zu dick oder hässlich sind, dass wir unfähig sind, dass wir nicht gemocht oder geliebt werden.
„Wir sind alle Doofe, die in einem Bus sitzen, also können wir uns ruhig zurücklehnen und die Fahrt genießen.“
Wavy Gravy
Das ist ein Grund zum Feiern. Wenn wir alle Doofe sind, dann können wir die Bürde der Täuschungen ablegen und endlich mit dem Doofsein loslegen. Wir können uns den Problemen stellen, die Doofe nun mal haben – ohne die übliche Scham und ohne Widerstand. Es ist viel wirksamer, an unseren rauen Kanten mit einem leichten und vergebenden Herzen zu feilen.
Stell dir vor, wie befreiend es wäre, einen mehr mitfühlenden und humorvollen Blick auf das menschliche Wesen zu werfen – nicht um unsere Fehler zu leugnen, sondern um sie als ein Teil des normalen Menschseins willkommen zu heißen.
Jeder einzelne Mensch auf diesem Bus namens Erde hat emotionale Schmerzen. Aber wenn wir uns für unsere Fehler und Schwächen schämen, verwandeln wir diesen Schmerz in Leiden. Voller Scham fühlen wir uns wie Ausgestoßene, – als gäbe es irgendwo einen anderen Bus, der sanft die Straße entlang braust.
Seine Fahrgäste sind alle schlanke, gut aussehende, gesunde, glückliche, beliebte Menschen, die in harmonischen Familien leben, die Arbeit haben, die sie nie langweilt oder ärgert, die niemals gemeine Dinge tun, nie etwas verbocken oder etwas Unpassendes sagen. Wir sehnen uns danach, in dem Bus mit den normalen Leuten zu sitzen.
Aber wir sind in dem Bus, wo vorne „DOOFE“ drauf steht – und machen uns Sorgen, wir könnten die einzigen Fahrgäste sein.
Das ist die Illusion, mit der wir uns alle so abplagen: dass wir alleine sind mit unserer Doofheit und unserer Unsicherheit. So fühlen wir uns natürlich nicht immer. Manchmal schwappt eine Welle von Selbstvergebung über uns, und plötzlich fühlen wir uns mit den anderen verbunden; plötzlich gehören wir dazu.
Es ist klasse, dein Sitz neben den anderen Doofen einzunehmen. Es könnte ein wichtiger Schritt in Richtung Weisheit sein, zu begreifen, dass der andere Bus – der schnittige Bus mit all den coolen Leuten, die wissen wo sie hinfahren – auch mit Doofen gefüllt ist: verkleidete Doofe, Doofe mit einem Geheimnis. Wenn wir klar erkennen, dass jeder einzelner Mensch – ungeachtet seines Ruhms oder Intelligenz, seines Reichtums, Alters oder Aussehens, dieselbe ganz gewöhnliche Marotten mit uns teilt, dann passiert etwas ungewöhnliches.
Wir fangen an, uns aufzuheitern, wir werden locker, wir werden so lebhaft, wie die Menschen, die wir uns in dem anderen Bus vorstellen. Und während wir diese Straße voller Schlaglöcher entlangpoltern, verloren wie immer, durch die Täler und über die Berge, entdecken wir, dass wir unter Freunde sind.
Wir lehnen uns zurück und genießen die Fahrt.
Aus Elizabeth Lesser: „Broken Open: How difficult times can help us grow“ (Übersetzung, N. Schneider)
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