10 einfache Übungen, die deine Achtsamkeit im Alltag stärken

Wenn du glaubst, dass Achtsamkeit nur formell als Meditation eingeübt werden kann, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Hier findest du 10 Übungen, um deine Achtsamkeit im Alltag zu trainieren, ohne dabei still auf einem Kissen sitzen zu müssen.

Der Benediktinermönch und Zen Meister Williges Jäger sagte einst:

„Ein Praxispfad, der nicht in den Alltag führt, ist ein Holzweg.“

Dieses Zitat zeigt, dass deine Achtsamkeitspraxis in den Alltag führen muss, damit sie für dich wirksam wird. 

Kannst du dich an dein letztes Schaumbad erinnern? Den Duft des Schaums? Das Glitzern tausender kleiner Bläschen? Die Wärme des Wassers auf deiner Haut? Die Luftfeuchtigkeit im Raum und wie sich diese auf deine Atmung auswirkt?

Oder haben sich deine Gedanken um alltägliches gedreht? Vielleicht hast du Pläne für die kommenden Tage ausgearbeitet? An Themen aus dem Arbeitsalltag, die dir aus dem Büro nachhause gefolgt sind, „gearbeitet“? Dir Gedanken gemacht, was noch ganz dringend erledigt werden muss?

Achtsamkeitsübungen
Oft sind wir im Alltag völlig in unserer Gedankenwelt versunken, rasen teilweise automatisiert von einer Aktivität zur anderen und üben uns fleißig in Multitasking.

Wir rennen und rennen, wie der viel zitierte Hamster im Rad. Diese hektische Geschäftigkeit ist oft die Ursache für unseren Leidensdruck und Krankheit.

Was bewirkt Achtsamkeit im Alltag?

Achtsamkeit bietet dir die Chance, Bewusstheit über die o.g. Verhaltensweisen zu entwickeln. Dadurch erhältst du die Möglichkeit aus Automatismen auszusteigen, bewusst zu entschleunigen und den Alltag aus einer neuen Perspektive wahrzunehmen.

Achtsamkeit lehrt dich, mit dem, was in deinem Geist, in deinem Körper und der Außenwelt vorgeht, von Moment zu Moment in einer nicht wertenden und freundlichen Weise umzugehen.

Was glaubst du, wie sich das auf deinen Alltag auswirken würde?

Achtsamkeit im Alltag einüben

Nahezu jede Alltagssituation bietet dir die Möglichkeit, dich in Achtsamkeit zu üben.

1. Beim Aufwachen

Versuche nach dem Aufwachen, die Augen noch einige Minuten lang geschlossen zu halten. Nimm wahr, ob du durch die geschlossenen Augenlieder bereits Licht wahrnehmen kannst. Falls nicht, sei dir der Dunkelheit bewusst.

Nimm danach für einige Momente deine Atmung wahr. Vielleicht für 10 Atemzüge ganz beim Atem sein, ohne ihn zu beeinflussen oder kontrollieren zu wollen.

Dann wechsle mit der Aufmerksamkeit zu den körperlichen Empfindungen, die du gerade wahrnehmen kannst. Entspannung, Anspannung, Wärme, Kühle, Kribbeln, Pulsieren. Nimm wahr, wie auch der Körper erwacht.

Nun richte deine Achtsamkeit nochmals für einige Augenblicke auf Geräusche aus. Geräusche innerhalb des Körpers, Geräusche außerhalb des Körpers und entfernte Geräusche von außerhalb des Raumes.

2. Lächle in den Spiegel

Erscheint dir das lächerlich? Es könnte sich so anfühlen, wenn du es zum ersten Mal übst. Aber sich morgens als erstes in den Spiegel anzulächeln hat viele positive Vorteile für dein Wohlbefinden.

Lächeln verlangsamt deinen Herzschlag und entspannt den Körper. Es setzt Endorphine frei, die Stresshormonen entgegenwirken und diese abbauen. Also los, probiere‘ es aus.

Du kannst das auch den Tag über immer wieder machen, sobald du vor einem Spiegel stehst (und keine Maske trägst).

3. Beim Essen und Trinken

Anstatt dein Essen, abgelenkt von TV, Handy oder Zeitung zu dir zu nehmen und am Ende nicht einmal zu wissen, wie es geschmeckt hat, könntest du versuchen, Ablenkungen abzuschalten und dich wirklich auf das Essen zu konzentrieren.

Die Farben und Formen wahrnehmen, die Aromen riechen, jede Geschmacksnuance erfahren und jeden Bissen genießen. 

Die Gabel beim Kauen vielleicht einmal zur Seite legen und dich voll und ganz dem widmen, was gerade in deinem Mund passiert.

Du merkst, wie Ungeduld in dir aufkommt? Spannend, auch das könntest du einfach nur wahrnehmen, ohne dich von dem Gefühl dazu bringen zu lassen, wieder die Geschwindigkeit zu erhöhen oder dich gleich ganz davon abzulenken, in dem du parallel dein Handy nutzt.

4. An der Supermarktkasse

Während du am Supermarkt in der Schlange stehst, hast du die perfekte Gelegenheit, Achtsamkeit zu üben.

Experimentiere doch einfach mal damit, die „vergeudete Zeit“ dazu zu nutzen, auf deine Atmung und alle Emotionen oder Gedanken, die du gerade wahrnehmen kannst, aufmerksam zu sein – auch wenn es sich um Frustrationen, Langeweile, Ärger oder Ungeduld handelt.

Lass alles zu, bewerte es nicht. Vielleicht gelingt es dir ja sogar Neugierde gegenüber diesen Dingen zu entwickeln. Verstehen wollen, was Langeweile ist? Warum du es nicht aushalten magst? Was genau daran so schlimm ist?

Das Schöne an dieser Alltagspraxis ist, dass du diese Zeit nicht mehr als vergeudet ansiehst, sondern sie sich mehr und mehr zu kleinen Oasen der Ruhe inmitten der Hektik deines Alltags entwickelt.

5. Telefonanrufe

Wenn das Telefon klingelt, dann schau doch mal, ob du den Impuls sofort abzunehmen, einige Augenblicke hinauszögern kannst.

Nimm stattdessen das Geräusch und die Wirkung auf deinen Körper wahr. Verändert sich die Herzfrequenz? Kommt es zu Anspannung? 

Nimm wahr und entscheide dich dann bewusst dazu, den Anruf anzunehmen.

6. Im Gespräch mit anderen

Wenn wir anderen zuhören, dann sind wir parallel oft mit unseren eigenen Gedanken beschäftigt. Wir hören zu, interpretieren, bewerten und reagieren auf unsere Bewertungen.

Manchmal machen wir uns auch Gedanken darüber, wie wir auf unsere Gegenüber wirken und wägen ab, was wohl ein interessantes Thema, eine gute Antwort oder ein kluger Rat wäre, um möglichst kompetent, attraktiv oder souverän zu wirken. Immer mit dem Hintergedanken, was denkt der/die andere gerade über mich.

Wenn du wieder einmal in einem Gespräch bist, dann kannst du versuchen, der Person deine ganze Aufmerksamkeit zu schenken, wirklich tief zuzuhören. Die Worte hören, die Mimik und Gestik wahrnehmen mit einer Haltung des Verstehen-Wollens. Gleichzeitig kannst du beobachten, wie du das Gehörte interpretierst, wertest, etc. 

Das entzieht dem Denken Aufmerksamkeit und schafft einen ruhigen Raum, der dich befähigt, wirklich zuzuhören, ohne Einmischung des Verstandes.

Die meisten Menschen wissen nicht, wie man zuhört, weil der Großteil ihrer Aufmerksamkeit mit Denken beschäftigt ist.

Dadurch, dass du dir dessen bewusst bis, hast du an der Stelle jedoch eine Wahl. Eine Wahl, ob deine Bewertungen dein Verhalten bestimmen oder nicht.

7. Bei der Arbeit

Auch wenn du mal wieder einen Arbeitstag hast, der randvoll mit Terminen angefüllt ist, jeder an dir zieht und sogar deine Mittagspause ins Wasser fällt. Wirst du immer die Zeit finden, um ein paar bewusste Atemzüge zu machen. Diese kleinen achtsamen Pausen werden dir helfen, diesen Tag psychisch besser zu „überleben“.

Du musst dich nur daran erinnern, achtsam sein zu wollen.

Hierbei könnte dich eine Erinnerungsfunktion auf deinem Computer oder deinem Smartphone, vielleicht in stündlichen Intervallen, unterstützen. Diese wird dich auffordern, innezuhalten und deine Aufmerksamkeit auf deine Atmung zu lenken. 

Schon wenige Sekunden machen einen großen Unterschied und geben dir die Möglichkeit zu entschleunigen und dich wieder mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden. Der Rest deines Tages wird viel ruhiger und produktiver sein!

8. Der 3-Minuten-Atemraum

Diese einfache Alltags-Übung, bietet dir die Möglichkeit kurz innezuhalten, Kontakt mit dir selbst aufzunehmen und wahrzunehmen, was gerade ist. Dies kann dir in schwierigen, stressigen oder belastenden Situationen Unterstützung bieten.

Wenn es dir gerade möglich ist zu sitzen, dann nimm eine aufrechte Haltung ein und schließe kurz die Augen. Gehe dann wie folgt vor:

1. Minute: Werde dir der gegenwärtigen Erfahrungen bewusst. Nimm alle Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen einfach nur wahr

2. Minute: Spüre den Atem und nutze ihn als Basis, um dich im gegenwärtigen Augenblick zu sammeln

3. Minute: Lass zu, dass sich die Aufmerksamkeit vom Atem aus wieder ausdehnt und den Körper als Ganzes wahrnimmt

Du brauchst dir hierzu keinen Wecker stellen, es spielt keine Rolle, ob du am Ende 3, 6 oder 10 Minuten geübt hast.

9. Erdungsübung

Die Erdungsübung ist eine gute Übung, wenn du nervös bist und Unruhe verspürst.

Versuchen deine Füße flach auf den Boden zu stellen, egal ob du gerade sitzt oder stehst. Atme vier Sekunden lang ein und zähle dann vier Sekunden lang aus. Wiederholen dies fünfmal.

Du kannst auch üben, dich über deine Füße zu erden, indem du beim Gehen auf die Wahrnehmung in deinen Fußsohlen achtest. Beobachten bei jedem Schritt, wie die Fußsohlen Kontakt mit dem Boden aufnehmen und wie sich dieser Kontakt wieder löst. Versuche deine ganze Aufmerksamkeit auf diesen Empfindungen zu fokussieren. Behalten dabei eine gleichmäßige Atmung bei.

Wenn du die Möglichkeit hast, versuche doch mal barfuß im Gras zu gehen und dabei die o.g. Übung zu praktizieren.

10. Die Fünf-Sinne-Übung

Alles, was du für diese Übung brauchst, sind deine 5 Sinne und 2-3 Minuten Zeit. Die Übung unterstützt dich dabei zu fokussieren und dadurch Ruhe zu erfahren.

Beachte, dass es dabei nur um das reine Wahrnehmen geht. Du musst keine Wörter für das Wahrgenommene finden, keine Bewertungen treffen oder dich von ihnen leiten lassen.

Achte auf fünf Dinge, die du sehen kannst

Schaue dich um und lenke deine Aufmerksamkeit auf fünf Dinge, die du sehen kannst. Vielleicht kannst du etwas auswählen, das du normalerweise nicht sofort bemerken würdest, z.B. so etwas wie einen Schatten oder eine außergewöhnliche Farbe oder etwas „Uninteressantes“.

Achte auf vier Dinge, die du fühlen kannst

Richte deine Aufmerksamkeit bewusst auf vier Dinge, die du gerade fühlen kannst. Das könnte die Wahrnehmung der Kleidung am Körper sein. Das Gefühl, dass Wind, Sonne oder auch Regen auf deiner Haut hinterlässt. Körperstellen, an denen du Wärme oder Kühle wahrnehmen kannst oder auch das Gefühl von Berührung.

Beachte drei Dinge, die du hören kannst

Nimm dir einen Moment Zeit, um zuzuhören, und notieren dir im Geist drei Dinge, die du im Hintergrund hörst. Dies kann das Zwitschern eines Vogels, das Summen des Kühlschranks oder das leise Verkehrsgeräusch einer nahegelegenen Straße sein.

Beachte zwei Dinge, die du riechen kannst

Bringe deine Aufmerksamkeit auf Gerüche, die du normalerweise herausfilterst, egal ob sie angenehm oder unangenehm sind. Vielleicht den Geruch von Pflanzen in der Natur, wenn du dich draußen befindest, oder der Geruch eines Fast-Food-Restaurants auf der anderen Straßenseite.

Beachten eine Sache, die du schmecken kannst

Fokussiere dich auf eine Sache, die du in diesem Moment schmecken kannst. Du kannst einen Schluck trinken, ein Kaugummi kauen, etwas essen, den aktuellen Geschmack in deinem Mund wahrnehmen oder sogar den Mund öffnen, um in der Luft nach einem Geschmack zu suchen.

Es kann sehr förderlich für dich sein, diese achtsamen Übungen schrittweise in deinem Alltag zu etablieren. Du solltest nicht den Anspruch haben, sofort alle Übungen zu praktizieren. Nimm dir eine nach der anderen vor, schau, was gut für dich passt und dann bleibe erst einmal bei einer Übung, bis sie Raum in deinem Alltag einnimmt, danach kannst du dich der nächsten widmen.

Letztlich zahlen all diese Übung auf dein Achtsamkeitskonto ein und vermehren nach und nach den Wert deiner Achtsamkeitspraxis.

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